Das Biker Hotel

Wir sind unterwegs in Süddeutschland. Es ist Anfang August, eigentlich Hochsommer, doch das Wetter stimmt überhaupt nicht mit der Jahreszeit überein. Es ist kalt, nass und ungemütlich. Softshelljacke und Wanderschuhe waren angesagt. Was solls, eigentlich perfektes Wetter zum Erkunden, da wenig Wanderer und Spaziergänger unterwegs sind.
Dieses alte Hotel, damals ein beliebter Biker Treff, war unser erstes Ziel an diesem Tag. Aber ausgerechnet als wir unseren Parkplatz erreichten, fing es an, heftig zu regnen.
Also schnappten wir unsere Kameras und eilten über die Straße, in der Hoffnung schnell einen Eingang in das über 100 Jahre alte Gebäude zu finden.
Das Gelände war schon recht verwildert, und wir folgten einem Pfad durch hüfthohes Unkraut. Somit wurde nun auch der letzte Rest Textil am Körper ordentlich nass.
Egal, nur die harten kommen in den Garten, dachte ich mir, während ich die speerangelweit offene Seitentür erblickte.

Im inneren dann erst mal Ernüchterung. Die ersten Räume, die wir zu Gesicht bekamen, waren fast leer. Baumaterialien und eine große Tischkreissäge sind eigentlich nicht die Motive, auf die wir gehofft hatten. Mein erster Gedanke war… Mist doch nicht „Lost“, hier wird möglicherweise gerade renoviert. Also erst einmal vorsichtig weiter in den nächsten Raum, die alte Wirtsstube. Hier dann ein komplett anderes Bild. Der Raum hielt alles bereit, was man von einem Schankraum erwartet. Richtig gemütliche Tische und Sitzecken, ein großer Tresen mit Zapfanlage, sogar die Gläser standen noch im Regal. Ein toller Raum. Hier konnte man damals bestimmt richtig gut essen und auch schön einen heben.
Ralf K., ein ehemaliger Gast, schrieb im Gästebuch: „Absolut gemütlich und familiär. Und der Wirt kann auch noch super kochen. Spitzenpreis. Was soll ich sagen, ich kann es nur weiterempfehlen.“
Das war einer der letzten Einträge im Gästebuch 2013.
Merkwürdig. Müsste es doch etwas anders ausschauen, wenn ein Ort schon 10 Jahre verlassen ist. Eine Patina oder dicke Staubschicht, aber all das gab es hier nicht.
Ich hatte ehr den Eindruck, als käme hier ab und an noch jemand zum Saubermachen vorbei.

In der Küche, ein ähnlich widersprüchliches Bild. Die alte Maggi Flasche im Regal war schon Jahre lang abgelaufen. Aber auch hier, keine Patina, wie sie sich normalerweise nach Jahren des Lehrstandes bildet, und die ich so liebe. Dennoch, der Eindruck von „verlassen“ war definitiv da.

In die oberen Stockwerke ging es über eine alte und knarzende Holztreppe, vorbei an einer Orgel, die hier einfach im Flur stand. Ich fragte mich, ob hier die Hotelgäste damals spielen durften, oder der Wirt damit seine Gäste zum Frühstück geweckt hat.
Die einzelnen Zimmer wirkten auf mich sehr spartanisch. Kein Schnickschnack, nur das nötigste. Geht auf jeden Fall in Ordnung, wenn man bedenkt, dass man hier schon ab 35€ inclusive Frühstück nächtigen konnte.
Einige Bäder wiederum, fand ich richtig geil, schöner 70er Jahre Stiel. Sowas finde ich fantastisch und ich bin mir sicher, irgendwann ist auch das wieder modern.
In einigen Zimmern merkte man allerdings das Alter des Gebäudes. Ein Raum stand regelrecht unter Wasser, in einem anderen lief die Feuchtigkeit die Wand herunter und quellte am Boden das Parkett auf.

Schließlich ging es am Ende des Ganges nochmals eine Etage höher. Erwartet hatte ich noch weitere Gästezimmer. Was wir stattdessen fanden, war eine komplett eingerichtete Wohnung.
Auch hier kein Staub, kein Verfall. Es hingen sogar noch die Familienfotos an der Wand. Etliche Lottoscheine lagen auf dem Kachelofen, alle aus dem Jahr 2022. Eigenartig dachte ich mir und ging in die Küche. Kann man doch anhand von MHD auf Lebensmitteln ganz gut ermitteln, bis wann hier noch jemand gewohnt hat.
Tatsächlich, einige Lebensmittel waren noch nicht einmal abgelaufen, ein Sahnejoghurt hatte das MHD 01/2023. Auch das Wasser war noch nicht abgestellt. Alles sehr seltsam.
Im Wohnzimmer stand ein kleiner Weihnachtsbaum. Vertrocknet, aber noch geschmückt.
Was ist hier wohl passiert, dass hier alles stehen und liegen gelassen wurde?
Anhand von den Familienfotos und hinterlassenen Unterlagen, hatte hier noch bis Anfang 2023 eine 4-köpfige Familie mit russisch-amerikanischen Wurzeln gewohnt.
Aber warum lässt man alles so zurück? Fotos, persönliche Unterlagen, Kinderspielzeug, alles ist noch da. Selbst die Betten sind noch bezogen.
Vielleicht ein Lottogewinn?! Und somit ein Neuanfang für die Familie, irgendwo in einem schicken modernen Haus, mit intaktem Dach, direkt am Meer und wo immer die Sonne scheint? Was denkt Ihr?

Und mit diesem Gedanken höre ich jetzt auf zu schreiben, und lasse die Bilder sprechen…

Viel Spaß beim Anschauen und bleibt immer schön neugierig…



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